Hamburgs Justizvollzugsanstalten sind am Rande ihrer Kapazitäten. Die ohnehin angespannte Lage in den Hamburger Gefängnissen hat sich in den letzten Monaten weiter zugespitzt. Mit einer Auslastung von über 95 Prozent stoßen die Gefängnisse an ihre Belastungsgrenze. Besonders drastisch ist die Situation in der Untersuchungshaftanstalt, die bereits überbelegt ist. Für Richard Seelmaecker, rechtspolitischer Sprecher der CDU, ist das unhaltbar: „Eine solche Überbelegung ist absolut untragbar!“
Die Zahlen zeichnen ein düsteres Bild für Hamburgs Justizsystem. Die hohen Belegungszahlen wirken sich nicht nur auf die Gefängnisleitung und das Justizpersonal aus, sondern auch auf die Insassen selbst. Die Gefängnisse waren nicht für eine solch hohe Anzahl an Inhaftierten konzipiert, und die räumlichen sowie personellen Ressourcen sind längst ausgereizt.
Die Ursachen der Überbelegung: Mehr Straftäter und längere Haftzeiten
Mehrere Faktoren tragen zu der aktuellen Überbelegung bei. Zum einen sind die Fallzahlen in bestimmten Kriminalitätsbereichen angestiegen, was zu einer höheren Anzahl an Verurteilungen führt. Vor allem Delikte wie Drogenhandel, Betrug und Gewaltverbrechen haben zugenommen und tragen zur erhöhten Belegung in den Gefängnissen bei. Zum anderen hat die Justiz in Hamburg in den letzten Jahren verstärkt auf längere Haftstrafen gesetzt, um die Sicherheitslage in der Stadt zu verbessern. Die Entscheidung, strikter gegen Wiederholungstäter und schwere Straftaten vorzugehen, hat zwar gesellschaftliche Zustimmung gefunden, jedoch auch die ohnehin begrenzten Kapazitäten der Gefängnisse zusätzlich belastet.
„Diese Entwicklung ist besorgniserregend“, sagt Seelmaecker. „Wir müssen sicherstellen, dass wir eine ausreichende Zahl an Haftplätzen bereitstellen können, um eine ordnungsgemäße Vollstreckung der Strafen zu gewährleisten. Die Sicherheit der Bevölkerung darf nicht unter mangelnden Kapazitäten leiden.“
Mangelnde Kapazitäten und die Folgen für die Insassen
Die hohe Auslastung führt zu deutlich verschlechterten Bedingungen für die Insassen. In überfüllten Zellen sinkt die Privatsphäre auf ein Minimum, und die Möglichkeiten für Bildungs- oder Arbeitsangebote, die Teil der Resozialisierung sein sollen, werden eingeschränkt. In manchen Fällen müssen Gefängnisabteilungen neu strukturiert werden, um den Platz bestmöglich zu nutzen, was allerdings zu Stresssituationen sowohl bei den Inhaftierten als auch beim Justizpersonal führt.
„Eine Überbelegung führt zu Spannungen und erhöhter Gewaltbereitschaft unter den Gefangenen“, erläutert ein Vollzugsbeamter, der anonym bleiben möchte. „Wenn Menschen auf engem Raum zusammenleben müssen und nur wenig Rückzugsmöglichkeiten haben, steigt die Wahrscheinlichkeit von Konflikten. Wir sehen das in allen überbelegten Einrichtungen – die Situation ist kaum noch zu kontrollieren.“
Arbeitsbedingungen des Justizpersonals am Limit
Neben den Insassen trifft die hohe Auslastung auch die Justizvollzugsbeamten, die durch die Überbelegung noch stärker gefordert sind. Hamburgs Gefängnisse sind derzeit nicht nur in puncto Belegungszahlen überlastet, sondern auch personell unterbesetzt. Das ohnehin anspruchsvolle Arbeitsumfeld wird durch die knappen Ressourcen weiter belastet, und viele Beamte berichten von zunehmendem Stress und gesundheitlichen Problemen. Die hohen Anforderungen an das Personal führen zu verstärktem Krankenstand, was die Personalnot weiter verschärft.
„Unsere Beamten sind oft in Extremsituationen gefordert“, berichtet ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei. „Bei der aktuellen Überbelegung können wir die nötige Sicherheit für unsere Mitarbeiter nur noch schwer gewährleisten. Es gibt einen dringenden Handlungsbedarf, um das Personal zu entlasten und gleichzeitig die Sicherheit in den Gefängnissen sicherzustellen.“
Pläne und Maßnahmen zur Entlastung: Neubau oder alternative Strafvollzugskonzepte?
Angesichts der brisanten Lage werden bereits verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Ein Vorschlag ist der Bau eines zusätzlichen Gefängnisses oder die Erweiterung bestehender Justizvollzugsanstalten. „Ein Neubau könnte langfristig für Entlastung sorgen, doch er wäre auch mit erheblichen Kosten verbunden“, meint Seelmaecker. Solche Bauprojekte benötigen zudem Jahre für die Umsetzung und könnten kurzfristig keine Entlastung bringen.
Ein anderer Ansatz ist der verstärkte Einsatz von alternativen Vollzugsmethoden, insbesondere für leichte Straftaten. Hausarrest und elektronische Fußfesseln könnten dazu beitragen, die Belegungszahlen in den Gefängnissen zu reduzieren. „Für bestimmte Delikte sind solche Maßnahmen eine sinnvolle Alternative, die gleichzeitig die Kapazitäten entlasten könnte“, betont ein Sprecher des Justizministeriums. Diese Konzepte werden jedoch auch kritisch gesehen, da sie nicht in allen Fällen die Abschreckungswirkung einer Gefängnisstrafe bieten.
Forderungen nach schnellem Handeln
In der Politik wächst der Druck, schnell zu handeln. Für die CDU steht die Sicherheit der Bevölkerung an erster Stelle, und Seelmaecker fordert eine umfassende Strategie zur Entlastung der Gefängnisse. „Wir brauchen eine klare Perspektive. Es darf nicht sein, dass wir nur reaktiv auf die Überbelegung reagieren. Der Senat muss jetzt Lösungen finden, bevor die Situation völlig außer Kontrolle gerät.“
Auch die Gewerkschaften fordern eine zügige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und mehr Unterstützung für das überlastete Justizpersonal. „Unsere Kolleginnen und Kollegen leisten eine extrem wichtige und belastende Arbeit. Es ist an der Zeit, dass die Politik hier Verantwortung übernimmt und für die nötigen Ressourcen sorgt“, so der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei.
Ein düsterer Ausblick?
Die gegenwärtige Situation in Hamburgs Gefängnissen macht deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Ohne neue Kapazitäten oder alternative Maßnahmen wird sich die Lage weiter zuspitzen. „Es ist untragbar, dass wir in einer Stadt wie Hamburg keine ausreichenden Haftplätze haben“, fasst Seelmaecker zusammen. „Wir dürfen die Augen vor dieser Entwicklung nicht verschließen und müssen entschlossen handeln.“
Mit der Überlastung der Gefängnisse und den damit verbundenen Herausforderungen steht Hamburg vor einer großen Aufgabe. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die politischen Entscheidungsträger bereit sind, die notwendigen Schritte zu gehen, um die Sicherheit und die Arbeitsbedingungen im Strafvollzug nachhaltig zu verbessern.
