In einem außergewöhnlichen Fall um Kirchenasyl und die Dublin-Verordnung sorgt ein afghanischer Asylsuchender für Schlagzeilen: Nur zwei Wochen nach seiner Abschiebung aus einem Hamburger Kirchenasyl nach Schweden ist der 29-jährige Mann erneut in Deutschland eingetroffen. Er befindet sich nun in Abschiebehaft und soll erneut nach Schweden überstellt werden, wo er ursprünglich einen Asylantrag gestellt hatte.
Rückkehr nach Deutschland trotz Abschiebung
Nach Angaben des Hamburger Amts für Migration kehrte der Afghane Mitte Oktober nach Deutschland zurück und stellte hier einen erneuten Asylantrag. Die Behörden nahmen den Mann jedoch umgehend in Gewahrsam, da sein Asylverfahren bereits in Schweden bearbeitet worden war und Deutschland daher nicht für das Verfahren zuständig ist. Momentan befindet sich der 29-Jährige in Abschiebehaft in Glückstadt, und eine erneute Überstellung nach Schweden wird derzeit vorbereitet.
Kirchenasyl: Schutz und Kontroversen
Der Fall ist besonders, da der Mann aus einem Kirchenasyl in Hamburg abgeschoben wurde – eine Entscheidung, die in der Hansestadt stark umstritten ist. Kirchenasyle gelten als Zufluchtsorte für Menschen, deren Abschiebung aus humanitären oder persönlichen Gründen von den Gemeinden als unzumutbar empfunden wird. Die Abschiebung des Afghanen am 30. September war die erste dieser Art aus einem Hamburger Kirchenasyl und führte zu Kritik von Flüchtlingsinitiativen, der Partei Die Linke und Vertretern der Kirche. Sie sehen den Fall als Präzedenzfall, der die bislang respektierte Schutzfunktion der Kirchen in Frage stellt.
Dublin-Verordnung: Schweden als zuständiges Land
Die Abschiebung erfolgte auf Grundlage der sogenannten Dublin-Verordnung. Diese regelt, dass Asylsuchende in das EU-Land zurücküberstellt werden, in dem sie erstmals registriert oder bereits ein Asylverfahren begonnen haben. Der 29-Jährige hatte bereits vor neun Jahren in Schweden einen Asylantrag gestellt, der allerdings abgelehnt wurde. Nachdem seine Flucht aus Afghanistan ihn zunächst zu Verwandten in Schweden geführt hatte, versuchte er nach der Ablehnung seines Asylantrags im Frühjahr 2024 in Deutschland einen weiteren Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte diesen jedoch ab, da Deutschland in diesem Fall als nicht zuständig gilt.
Zuflucht in einer Hamburger Kirche
Nachdem seine Abschiebung feststand, suchte der Afghane im Sommer 2024 in einer katholischen Pfarrei in Hamburg Schutz. Kirchenasyl wird oft als letzte Möglichkeit für abgelehnte Asylsuchende genutzt, um eine Abschiebung zu verhindern. Der Aufenthalt in der Kirche sollte ihm Zeit geben, seinen Fall rechtlich überprüfen zu lassen und mögliche humanitäre Gründe für einen Verbleib in Deutschland anzuführen. Doch die Hamburger Behörden hielten an der Abschiebung fest und setzten diese schließlich Ende September durch.
Kritik und Debatte um die Rolle des Kirchenasyls
Die Abschiebung des Afghanen hat eine hitzige Debatte ausgelöst. Flüchtlingsinitiativen und Kirchenvertreter kritisieren die Entscheidung der Behörden scharf. Sie argumentieren, dass das Kirchenasyl als humanitärer Schutzraum respektiert werden müsse und dass die Abschiebung ein gefährliches Signal sende. Auch politische Stimmen, vor allem aus dem linken Spektrum, bezeichnen die Abschiebung als unverhältnismäßig. Vertreter der Kirchen befürchten zudem, dass die Entscheidung andere Gemeinden davon abhalten könnte, in Zukunft Kirchenasyl anzubieten, was Menschen in vergleichbaren Situationen den letzten Zufluchtsort nehmen könnte.
Die Zukunft des Afghanen: Ein ungewisser Weg
Die Behörden bereiten nun eine erneute Rücküberstellung nach Schweden vor. Doch wie lange dieser Prozess dauern wird und ob die schwedischen Behörden ihn erneut aufnehmen werden, bleibt unklar. Für den Afghanen bedeutet dies weiterhin eine ungewisse Zukunft, die möglicherweise erneute Abschiebeversuche und Aufenthalte in Haft mit sich bringt.
Der Fall steht beispielhaft für die Schwierigkeiten und Grauzonen, die das europäische Asylsystem und die Dublin-Verordnung mit sich bringen. Während die Verordnung klare Zuständigkeiten schafft, zeigt der Fall des Afghanen, wie kompliziert und umstritten das System für Menschen in prekären Situationen sein kann. Ob der 29-Jährige letztlich in Deutschland bleiben kann oder erneut nach Schweden abgeschoben wird, bleibt abzuwarten. Der Fall verdeutlicht jedoch die wachsende Spannung zwischen staatlichen Abschiebemaßnahmen und den humanitären Bemühungen kirchlicher Gemeinden, die Schutzräume für vulnerable Personen schaffen möchten.

Mathias von Lichtenfeld hat ein Studium im Bereich Journalismus absolviert und arbeitet hauptberuflich in einer renommierten Medienagentur. Neben seiner beruflichen Tätigkeit verfasst er regelmäßig Artikel für das Steindamm Magazin, in denen er über lokale Themen berichtet und seine journalistische Expertise einbringt.