Hamburg – Carsharing, einst gefeiert als nachhaltige Alternative zum Privatfahrzeug, steht zunehmend in der Kritik. Immer häufiger werden Fahrzeuge von Carsharing-Anbietern in gefährliche Situationen oder sogar Straftaten verwickelt. Diese Entwicklung zeigt: Es fehlt an klaren Regeln und Verantwortlichkeit. Ein persönliches Erlebnis an der Kreuzung Danziger Straße/Steindamm in St. Georg unterstreicht die Dringlichkeit, endlich Maßnahmen zu ergreifen.
Ein Beinahe-Unfall, der zum Nachdenken zwingt
Es hätte letzte Woche beinahe passiert: Während ich den Zebrastreifen an der Kreuzung Danziger Straße/Steindamm überquerte, raste ein Carsharing-Fahrzeug plötzlich auf mich zu. Der Fahrer gab unnötig Gas, ließ die Reifen durchdrehen und missachtete sowohl das Verkehrsrecht als auch die Sicherheit der Passanten. Nur ein schneller Sprung zur Seite bewahrte mich vor einem möglicherweise schweren Unfall.
Der Vorfall war nicht nur erschreckend, sondern verdeutlicht ein Problem, das längst außer Kontrolle geraten ist: Die Verantwortungslosigkeit, mit der einige Fahrer Carsharing-Autos nutzen, gefährdet zunehmend die Sicherheit im Straßenverkehr.
Carsharing – vom Vorbild zum Problem?
Carsharing sollte ursprünglich eine Lösung für viele Probleme bieten: Weniger Autos in den Städten, geringere Umweltbelastung und eine flexible Mobilitätsoption für Menschen, die kein eigenes Fahrzeug besitzen. Doch in der Realität hat sich gezeigt, dass Carsharing-Fahrzeuge oft von Fahrern genutzt werden, die keinerlei Rücksicht auf Verkehrssicherheit oder Verantwortung nehmen.
Besonders erschreckend ist die steigende Zahl von Vergehen mit Carsharing-Autos, darunter:
• Raserei und gefährliches Überholen: Viele Nutzer behandeln die Fahrzeuge wie Spielzeuge, ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer.
• Verkehrsunfälle: Carsharing-Fahrzeuge sind immer häufiger in Unfälle verwickelt.
• Straftaten: In den letzten Monaten wurden mehrere Carsharing-Autos für Verfolgungsjagden oder sogar Einbruchstaten missbraucht.
Wer trägt die Verantwortung?
Ein zentrales Problem beim Carsharing ist die unklare Verantwortung. Während die Anbieter die Fahrzeuge bereitstellen, fehlt es oft an klaren Regelungen zur Nutzung und Kontrolle.
1. Fehlende Identitätsprüfung:
Obwohl Nutzer sich registrieren müssen, ist die Verifizierung oft lückenhaft. Falsche Angaben oder das Weitergeben von Zugängen an unbefugte Personen werden zu selten verhindert.
2. Keine Fahrpraxis erforderlich:
Carsharing-Fahrzeuge können von jedem mit einem gültigen Führerschein genutzt werden, unabhängig von Fahrpraxis oder Verkehrserfahrung. Dies öffnet die Tür für unerfahrene oder risikofreudige Fahrer.
3. Mangelnde Nachverfolgung:
Nach Unfällen oder Verkehrsverstößen bleibt oft unklar, wer das Fahrzeug tatsächlich gefahren hat. Anbieter verlassen sich auf ihre Kunden, ohne konsequente Nachverfolgung oder Sanktionen.
Hamburg als Brennpunkt
In Hamburg, wo Carsharing besonders populär ist, häufen sich die Vorfälle. Kreuzungen wie die Danziger Straße oder der Steindamm, die ohnehin stark frequentiert sind, werden durch rücksichtslose Fahrer noch gefährlicher. Fußgänger und Radfahrer, die auf Sicherheit und Vorfahrt hoffen, stehen zunehmend in der Schusslinie.
Was sich ändern muss
Es ist an der Zeit, dass Carsharing-Anbieter und die Politik Verantwortung übernehmen. Folgende Maßnahmen könnten helfen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen:
1. Strengere Identitätsprüfung:
Kunden sollten nicht nur registriert, sondern auch überprüft werden. Eine Verknüpfung mit Führerscheindaten und regelmäßige Verifizierungen wären ein erster Schritt.
2. Überwachung der Fahrweise:
Moderne Technologien wie GPS-Tracking oder Sensoren könnten helfen, rücksichtsloses Fahren zu erkennen. Anbieter könnten auffällige Fahrer direkt sanktionieren oder sperren.
3. Klare Haftung und Sanktionen:
Verkehrsverstöße müssen konsequent verfolgt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Anbieter sollten verpflichtet werden, entsprechende Daten bereitzustellen.
4. Schulungen und Aufklärung:
Neue Nutzer sollten verpflichtend an kurzen Schulungen teilnehmen, die auf die Verantwortung im Straßenverkehr hinweisen.
Ein Appell an alle Verkehrsteilnehmer
Mein Beinahe-Unfall letzte Woche war ein Weckruf. Er hat mir gezeigt, wie schnell aus einer alltäglichen Situation eine lebensgefährliche werden kann. Doch es liegt nicht nur an den Anbietern, sondern auch an uns allen: Jeder, der ein Carsharing-Fahrzeug nutzt, trägt Verantwortung – für sich selbst und für andere.
Carsharing ist eine großartige Idee, doch es darf nicht zu einem Freibrief für Rücksichtslosigkeit werden. Es ist Zeit, dass wir gemeinsam an einer Lösung arbeiten, bevor noch mehr Menschen unnötig gefährdet oder verletzt werden. Hamburg und andere Städte verdienen es, sichere Orte für alle Verkehrsteilnehmer zu sein – egal, ob sie zu Fuß, auf dem Rad oder in einem Auto unterwegs sind.
