Nach über einem Jahrzehnt des Bürgerkriegs und internationaler Isolation mehren sich die Anzeichen, dass das syrische Assad-Regime an Stabilität verliert. Während sich die Macht von Präsident Baschar al-Assad lange Zeit als nahezu unerschütterlich darstellte, deuten aktuelle Entwicklungen darauf hin, dass sein Einfluss schwindet – sowohl innenpolitisch als auch auf internationaler Ebene.
Wirtschaftskrise als Druckpunkt
Ein zentraler Faktor, der das Regime destabilisiert, ist die verheerende wirtschaftliche Lage. Syrien leidet unter massiver Inflation, einer kollabierenden Währung und einer Bevölkerung, die zunehmend in Armut versinkt. Selbst in den bisher regimetreuen Hochburgen wie Damaskus und Latakia wächst der Unmut über die anhaltenden Missstände. Die Sanktionen der USA und der EU tragen zusätzlich dazu bei, dass die syrische Wirtschaft kaum noch handlungsfähig ist.
Zudem haben die jüngsten Kürzungen von Subventionen für Lebensmittel und Treibstoff viele Syrer in existenzielle Not gestürzt. Das einstige Rückgrat des Regimes – die Mittelschicht – beginnt, sich gegen Assad zu wenden. Proteste in Städten wie Suwaida und Daraa, die sich anfangs auf soziale und wirtschaftliche Forderungen beschränkten, nehmen zunehmend politischen Charakter an.
Bröckelnde Machtbasis
Assads Macht beruhte stets auf einem fragilen Bündnis zwischen verschiedenen Interessengruppen: der Alawiten-Minderheit, die er selbst repräsentiert, Teilen des sunnitischen Establishments und einer loyalen Militärführung. Doch die Spannungen innerhalb dieser Koalition werden immer sichtbarer. Berichte über Rivalitäten zwischen hochrangigen Militärs und Geheimdienstchefs sowie die zunehmende Unzufriedenheit in den Reihen der Armee könnten das Fundament des Regimes weiter erschüttern.
Zudem verliert Assad den Rückhalt einflussreicher regionaler Akteure. Zwar unterstützen Russland und Iran weiterhin das Regime, jedoch sind ihre Prioritäten angesichts eigener Krisen inzwischen weniger klar. Russlands Engagement in Syrien wird durch den Ukraine-Krieg geschwächt, während der Iran mit einer sich verschärfenden Protestbewegung im eigenen Land konfrontiert ist.
Internationale Isolation und diplomatische Herausforderungen
Trotz gelegentlicher Signale der Annäherung von arabischen Staaten bleibt Syrien international isoliert. Die Normalisierung der Beziehungen zu Assad, die von einigen Staaten angestrebt wurde, steht auf wackeligen Beinen. Insbesondere die USA und die EU zeigen sich weiterhin entschlossen, Druck auf das Regime auszuüben.
Die jüngste Einigung auf eine vorläufige Waffenruhe in Nordostsyrien und die anhaltenden Kämpfe mit kurdischen Kräften sowie islamistischen Gruppierungen zeigen zudem, dass Assad die Kontrolle über weite Teile des Landes nie vollständig zurückgewinnen konnte.
Das Ende einer Ära?
Ob das Assad-Regime tatsächlich fällt, bleibt abzuwarten. Die syrische Führung hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Lage ist, selbst unter extremem Druck zu überleben. Doch die Zeichen der Zeit deuten darauf hin, dass Assad an Einfluss verliert – und dass die syrische Bevölkerung, erschöpft und ausgeblutet, nach einem Wandel strebt.
Die Frage ist nicht nur, ob Assad fällt, sondern was danach kommt. Syrien steht am Scheideweg: Ein Machtwechsel könnte eine neue Ära einleiten, birgt jedoch auch die Gefahr eines erneuten Machtvakuums und weiterer Konflikte. Die Welt schaut gespannt zu, doch die Zukunft Syriens bleibt ungewiss.
