Ein Kommentar von Nami Shams
In Hamburg herrscht politische Spannung, und zwar gleich doppelt: Die Bürgerschaftswahl im März 2025 rückt näher, und dazu kommt die vorgezogene Bundestagswahl im Februar. Diese seltene Konstellation wirft Fragen auf – sowohl zur Wahlstrategie der Parteien als auch zur möglichen Wirkung auf die Wähler. Was bedeutet diese zeitliche Nähe für Hamburgs politische Landschaft? Und wie positionieren sich die Parteien?
SPD: Zwischen Erfolgsgeschichte und Scholz-Krise
Die Hamburger SPD steht vor einer paradoxen Situation. Seit 2011 regiert sie in der Hansestadt mit großem Erfolg. Bürgermeister wie Olaf Scholz und Peter Tschentscher haben das Vertrauen vieler Hamburgerinnen und Hamburger gewonnen, selbst jener, die traditionell keine Sozialdemokraten wählen würden. Doch diese Bilanz könnte durch die Turbulenzen der Bundespolitik unter SPD-Kanzler Olaf Scholz ins Wanken geraten.
Hamburgs SPD-Vertreter wünschen sich daher, dass die Bundestagswahl möglichst früh stattfindet, idealerweise noch im Januar. Je größer der Abstand zur Bürgerschaftswahl, desto geringer die Gefahr, dass die Unzufriedenheit mit Scholz auf das Hamburger Wahlergebnis abfärbt. Zwei Bürgerschaftsabgeordnete, Markus Schreiber und Tim Stoberock, fordern sogar öffentlich den Rückzug des Kanzlers. Sie argumentieren, dass die SPD mit Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten bessere Chancen hätte, die Bundestagswahl zu überstehen – ein seltener, öffentlicher Bruch in der Partei.
Die Herausforderung für die SPD besteht nun darin, das bewährte lokale Erfolgsmodell gegen den möglichen Negativsog der Bundespolitik abzuschirmen. Keine leichte Aufgabe, wenn die Krise in Berlin omnipräsent bleibt.
CDU: Tiefenentspannt und abwartend
Die Hamburger CDU, die traditionell auf Bundesebene stärker abschneidet als auf Landesebene, zeigt sich entspannt. „Wir sind gut aufgestellt, egal wann gewählt wird“, heißt es aus Parteikreisen. Tatsächlich könnte die CDU von einer stärkeren Abgrenzung zur SPD profitieren, sowohl im Bund als auch in Hamburg. Sollte es der SPD nicht gelingen, die Bundespolitik von der Bürgerschaftswahl zu entkoppeln, könnte die CDU von einer Wechselstimmung profitieren.
Strategisch gesehen könnte die CDU darauf setzen, die bundespolitischen Schwächen der Sozialdemokraten zu betonen und gleichzeitig mit lokalen Themen zu punkten. Diese Gelassenheit hat durchaus ihre Berechtigung, denn jede Schwächung der SPD auf Bundesebene könnte auch der CDU in Hamburg zugutekommen.
Grüne: Starke Basis, starke Spitzenkandidatin
Die Grünen blicken optimistisch auf die bevorstehenden Wahlen. In Hamburg können sie auf eine stabile Stammwählerschaft und eine bekannte Spitzenkandidatin, Katharina Fegebank, zählen. Gleichzeitig könnte ihnen die Dynamik zwischen SPD und CDU in die Karten spielen. Sollte die CDU der SPD bundesweit Stimmen abjagen, könnte dies dazu führen, dass unentschlossene Wählerinnen und Wähler in Hamburg auf die Grünen ausweichen, um ein progressives Gegengewicht zu schaffen.
Die Grünen gehen davon aus, dass sie sowohl bei der Bundestagswahl als auch bei der Bürgerschaftswahl eine gute Position halten können. Ihre Stärke liegt in der Mobilisierung junger und urbaner Wählerschichten, die von den bundespolitischen Querelen zwischen SPD und CDU möglicherweise enttäuscht sind.
Wählerverhalten in der Schwebe
Die zeitliche Nähe der beiden Wahlen könnte das Wahlverhalten der Hamburgerinnen und Hamburger auf eine harte Probe stellen. Traditionell tendieren viele dazu, auf Landesebene die SPD und auf Bundesebene die CDU zu wählen – ein Muster, das die SPD in Hamburg bislang stärkte. Doch die Unzufriedenheit mit Scholz und die bundespolitische Krisenstimmung könnten diese Dynamik ändern. Wähler könnten ihre Stimme entweder für eine klare Opposition zur Bundespolitik abgeben oder sich verstärkt auf lokale Themen konzentrieren.
Für die SPD wird es entscheidend sein, ihr lokales Erfolgsmodell zu verteidigen und gleichzeitig Scholz‘ Krisenmanagement in Berlin zu rechtfertigen. Die CDU könnte versuchen, diese Schwäche gezielt auszunutzen, während die Grünen als neutralere Alternative profitieren könnten.
Ein Drahtseilakt für alle Parteien
Die zeitliche Nähe der beiden Wahlen stellt die Parteien vor komplexe Herausforderungen. Während die SPD zwischen ihren bundes- und landespolitischen Erzählungen balancieren muss, hofft die CDU auf den Windschatten der Bundespolitik. Die Grünen wiederum setzen auf ihre bewährte Basis und eine stabile Spitzenkandidatin.
Eines ist klar: Beide Wahlen könnten entscheidende Weichen für Hamburgs politische Landschaft und darüber hinaus stellen. Und die SPD steht vor der Frage, ob sie es schafft, ihr lokales Erfolgsmodell von den Schwächen ihres Kanzlers zu trennen – oder ob sie, trotz aller Verdienste in der Stadt, in den Strudel der Bundespolitik gezogen wird.
