Hamburg, 25.10.2024 – Die Bedrohungslage für die Zollbehörden in Deutschland hat sich dramatisch verschärft. Nach Einschätzung der Bundesregierung stehen Zollbeamte zunehmend im Fadenkreuz der internationalen Drogenkriminalität. Angesichts jüngster Anschläge und wachsender Sicherheitsrisiken warnen Experten und Gewerkschaftsvertreter vor gravierenden Sicherheitslücken – und fordern dringend eine bessere Ausstattung der Einsatzkräfte.
Organisierte Kriminalität auf dem Vormarsch
In einer vertraulichen Antwort auf eine Anfrage der CDU-Bundestagsfraktion stellt die Bundesregierung fest, dass der Zoll auf eine „verschärfte Bedrohungslage“ durch Drogenbanden vorbereitet sein muss. Vor allem die jüngsten Sprengstoffanschläge in Nordrhein-Westfalen, die offenbar auf Konflikte zwischen rivalisierenden Banden zurückzuführen sind, verdeutlichen das Risiko. Bei den Vorfällen im Raum Köln kam es zu Explosionen in Wohnhäusern und Geschäften, und es wurden mutmaßliche Rivalen entführt – Szenarien, die früher hauptsächlich aus Lateinamerika bekannt waren.
Laut Informationen von NDR und WDR sieht das Bundesfinanzministerium in diesen Entwicklungen ein alarmierendes Zeichen. Doch obwohl die Gefahr erkannt ist, bleibt die Ausrüstung der Zollbeamten weit hinter den Erfordernissen zurück. Die Forderung nach verstärktem Schutz bleibt bislang ohne nennenswerte Konsequenzen.
Kokain-Schmuggel als wachsendes Problem
Der internationale Drogenhandel, insbesondere der Kokainschmuggel, hat sich zu einem der größten Sicherheitsrisiken in deutschen Häfen entwickelt. Ermittler gehen davon aus, dass sich der Kokainschmuggel über Hamburg und Bremerhaven hinaus bald auch auf Ostseehäfen ausweiten könnte. Bereits jetzt ist der Hamburger Hafen ein Einfallstor für internationale Drogenkartelle. So wurden erst kürzlich mehrere Hundert Kilogramm Kokain sichergestellt.
Das Zollkriminalamt erwartet, dass die Schmuggler zunehmend auf Technologie setzen, um ihre Lieferungen zu überwachen. Häufig seien Container mit GPS-Trackern ausgestattet, die es kriminellen Gruppen ermöglichen, Schmuggelware gezielt zu verfolgen. Dies führt zu einer zusätzlichen Bedrohungslage für die Zollbeamten, die im Umgang mit solchen hochriskanten Funden oftmals nicht ausreichend geschützt sind.
Sicherheitslücken und unzureichende Ausstattung
Bereits im Jahr 2022 hatten Zollfahnder aus Hamburg und Bremen das Bundesfinanzministerium darauf hingewiesen, dass die bestehende Ausrüstung im Kampf gegen organisierte Drogenbanden unzureichend ist. Die Fahnder forderten verstärkten Schutz durch gepanzerte Fahrzeuge, Maschinenpistolen und Schutzwesten, um sicherzustellen, dass gefährliche Drogenlieferungen ordnungsgemäß bewacht und transportiert werden können. Ein solcher Schutz ist bei der Polizei längst Standard, doch für den Zoll scheint er vorerst unerreichbar.
Das Bundesfinanzministerium erklärte lediglich, dass es die Frage nach einer angemessenen Ausrüstung „fortlaufend bewerte“. Auf konkrete Nachfragen nach der Ausstattung mit Maschinenpistolen und Panzerfahrzeugen gab es bislang keine klaren Antworten. Stattdessen heißt es in der vertraulichen Antwort der Bundesregierung, dass sich die Verantwortlichen im „engen Austausch“ über mögliche Maßnahmen befänden – eine Formulierung, die den betroffenen Zollbeamten kaum Zuversicht geben dürfte.
Millionen für den Zoll – aber unklar, wofür
Zwar soll der Zoll im kommenden Jahr zusätzliche 250 Millionen Euro erhalten, doch bleibt offen, wie viel davon tatsächlich in die Sicherheit und Ausrüstung der Beamten fließen wird. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums betonte, dass man aus „einsatztaktischen Gründen“ keine Details zur geplanten Verwendung der Gelder nennen könne. Doch in den Reihen der Gewerkschaften wächst der Frust über das, was sie als „leere Versprechungen“ empfinden. Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Zoll, kritisierte, dass Beamte in normalen VW-Bussen Kokain im Millionenwert transportieren müssen – ohne den Schutz, den sie für diese gefährlichen Einsätze benötigen.
Hamburg im Fokus – neue Röntgenanlagen geplant
Der Hamburger Hafen steht besonders im Fokus der internationalen Drogenkartelle und ist inzwischen einer der Haupteintrittspunkte für Kokain in Europa. Um der Lage Herr zu werden, sollen in den kommenden Jahren zwei zusätzliche Röntgenanlagen zur Kontrolle von Containern angeschafft werden. Bis diese verfügbar sind, wird der Zoll mit einem mobilen Röntgengerät ausgestattet, das leihweise aus anderen Zollämtern bereitgestellt wird. Dennoch bleibt der Zoll hinter anderen großen Häfen wie Rotterdam oder Antwerpen zurück, wo die Anzahl an Röntgenanlagen deutlich höher ist.
Streit um die Vernichtung von Drogenfunden
Neben der Frage der Ausrüstung steht auch der Umgang mit beschlagnahmten Drogenfunden im Zentrum der Debatte. In geheimen Lagern lagern tonnenweise beschlagnahmte Drogen, die oft über Jahre aufbewahrt werden müssen, bis die Gerichtsverfahren gegen die Täter abgeschlossen sind. Der Zoll fordert, dass solche Funde schneller vernichtet werden, um die Gefahr von Rückholaktionen krimineller Banden zu minimieren. Allerdings scheitert dies oft an rechtlichen Hürden: Staatsanwaltschaften fürchten, dass eine frühzeitige Vernichtung Beweisprobleme im Verfahren verursachen könnte.
Die Bundesregierung prüft derzeit, ob eine gesetzliche Klarstellung den schnelleren Umgang mit solchen Funden ermöglichen könnte. Eine solche Regelung könnte es ermöglichen, die Drogenmengen frühzeitig zu dokumentieren und dann zu vernichten – ein kleiner Schritt, der die Sicherheit der Lagerstätten erhöhen würde.
Resignation und Wut bei den Beamten
Unter den Zollbeamten wächst der Unmut. Viele fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Die Gewerkschaft der Polizei berichtet von einer zunehmenden Resignation bei den Beamten, die tagtäglich ihr Leben riskieren, um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Die bisherige Unterstützung durch das Bundesfinanzministerium empfinden sie als unzureichend und sehen die Forderungen nach besseren Schutzmaßnahmen als überfällig an.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in der Vergangenheit wiederholt angekündigt, den Zoll im Kampf gegen die organisierte Kriminalität besser auszustatten. In einem Social-Media-Clip erklärte er kürzlich: „Wenn die international organisierte Kriminalität aufrüstet, dann muss der Staat nachziehen. Wir müssen schneller und besser sein als diejenigen, die mit krimineller Energie uns schaden wollen.“ Doch viele Zollbeamte fragen sich, wann diese Ankündigungen endlich in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden.
Deutschland muss handeln
Die Bedrohung für die Zollbehörden wächst, während die Ausrüstung und Sicherheitsmaßnahmen kaum mit den Anforderungen Schritt halten. Angesichts der eskalierenden Gewalt, die organisierte Drogenbanden bereit sind anzuwenden, ist die Zeit für politische Absichtserklärungen abgelaufen. Deutschland muss jetzt handeln, um seine Beamten zu schützen und die Kontrolle über seine Häfen zu sichern. Nur durch schnelle und entschlossene Maßnahmen kann der Zoll seiner Aufgabe gerecht werden und die Sicherheit in den deutschen Häfen und Zollstationen gewährleisten.
