Inmitten des pulsierenden Hamburger Stadtteils St. Georg, an der belebten Kreuzung zwischen Alltag und Elend, stand einst ein Gebäude, das Geschichte schrieb – ein Mahnmal aus Beton, das heute nur noch in den Erinnerungen lebt. Das „Geisterhaus“ am Steindamm 98-106, eine einstige Zentrale der Deutschen Angestellten Krankenkasse, wurde zum Schauplatz von Tragödien, zum Spiegelbild der gesellschaftlichen Brüche einer Stadt, die nie zur Ruhe kommt.
Hier, in einem verwahrlosten Turm ohne Strom und Hoffnung, lebte und starb Melanie Rottmann. Melanie, eine junge Frau, deren Leben früh aus der Spur geriet, die in der Drogenszene und auf den Straßen Halt suchte und letztlich im „Geisterhaus“ verlor. Sie war 22 Jahre alt, als sie dort im Juni 2001 tot aufgefunden wurde – ein weiteres Opfer von Gewalt, Würgemale am Hals, ihre Geschichte in den Schatten gedrängt von Wahlkampfdebatten und Schlagzeilen.

Melanie war mehr als eine Statistik, mehr als ein Name in einer Pressemitteilung. Sie war eine Tochter, vielleicht eine Schwester, sicherlich jemand, der geliebt wurde, auch wenn die Umstände sie weit von jedem sicheren Hafen getragen hatten. Die Menschen, die sie kannten, erinnern sich an ihre Augen – wachsam und voller Fragen – und an ein Lächeln, das selbst in dunklen Momenten durchzubrechen schien.
Das „Geisterhaus“ wurde zum Symbol. Es stand für die Abgründe einer Stadt, die sich in ihrer liberalen Offenheit oft selbst überfordert. Für eine Gesellschaft, die Menschen wie Melanie aus den Augen verliert, bis sie nicht mehr zu sehen sind. Es wurde auch zum Zankapfel der Politik, eine Bühne für Forderungen nach Law and Order. Aber inmitten dieser lauten Stimmen ging Melanies eigene Geschichte verloren – wie so oft bei denen, die am Rande leben und sterben.
Heute ist das „Geisterhaus“ verschwunden, abgerissen, die Narben der Zeit überbaut. Doch die Erinnerung bleibt, nicht nur an das Gebäude, sondern an Melanie. An ein junges Leben, das vielleicht einen anderen Verlauf hätte nehmen können, wenn die Gesellschaft ein besseres Netz hätte spannen können, um sie aufzufangen.
Ihr Name ist kein Symbol. Er ist eine Mahnung, nicht zu vergessen, dass hinter jeder Tragödie ein Mensch steht, mit Träumen, Schwächen und Geschichten. Melanie Rottmann, 22 Jahre alt, Tochter dieser Stadt. Möge sie in Frieden ruhen.
