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Die stille Duldung? Ermittlungen zur Rolle der Hamburger Polizei und Behörden am Steindamm

St GeorgDie stille Duldung? Ermittlungen zur Rolle der Hamburger Polizei und Behörden am Steindamm
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Lesedauer 3 Minuten

Von unserem Investigativ-Team für die New York Times in Kooperation mit The Times Vereinigte Arabische Emirate / Projekt X Plattform / Leitung Investigative Redaktionelle Nachweise Nami Shams, Mathias von Lichtenfeld, Yasmin Khan mit Beteiligung Informanten aus der Szene

Hamburg, Deutschland – Der Steindamm, ein berüchtigter Straßenzug im Stadtteil St. Georg, hat sich über die Jahre zu einem Knotenpunkt des Drogenhandels entwickelt. Immer wieder berichten Anwohner und Gewerbetreibende von offenen Drogengeschäften, die scheinbar ungestört direkt vor den Augen der Behörden stattfinden. Doch eine provokative Frage hat in letzter Zeit neue Aufmerksamkeit erregt: Lassen die Hamburger Polizei und Behörden gezielt Drogenhandel zu, um die Versorgung von Abhängigen zu sichern und die Situation zu kontrollieren?

Die Vorwürfe im Detail

Insbesondere die Polizeiwache 11, die in unmittelbarer Nähe des Steindamms liegt, gerät immer wieder ins Zentrum dieser Diskussion. Kritiker werfen den Beamten vor, wegzusehen, wenn es um den Handel von Betäubungsmitteln geht. „Die Dealer stehen hier Tag und Nacht, und jeder weiß, was passiert. Aber die Polizei greift kaum ein“, sagt ein Anwohner, der anonym bleiben möchte.

Einige Beobachter gehen sogar noch weiter: Es kursieren Gerüchte, dass diese vermeintliche Passivität Teil einer inoffiziellen Strategie sei, um die Lage nicht eskalieren zu lassen. Indem der Handel in einem begrenzten Gebiet toleriert werde, könnten Abhängige versorgt werden, ohne dass sie sich über die ganze Stadt verteilen. Eine solche Strategie wäre nicht neu; ähnliche Modelle wurden in anderen europäischen Städten wie Zürich und Amsterdam zumindest diskutiert.

Die Rolle der Behörden

Auf Nachfrage erklärte die Hamburger Innenbehörde, dass jegliche Form von Toleranzpolitik im Bereich des Drogenhandels ausgeschlossen sei. „Wir verfolgen eine Null-Toleranz-Strategie gegen den Handel mit Betäubungsmitteln. Unsere Einsatzkräfte greifen ein, wann immer es möglich ist“, sagte ein Sprecher. Dennoch bleiben Zweifel. Laut einer internen Quelle, die anonym mit der New York Times sprach, gibt es durchaus Überlegungen innerhalb der Behörde, wie mit den sozialen Problemen rund um den Steindamm umgegangen werden kann, ohne die Situation durch übermäßige Repression zu verschärfen.

Ein Balanceakt zwischen Kontrolle und Chaos

Experten für Drogenpolitik weisen darauf hin, dass es oft einen schmalen Grat zwischen Kontrolle und Eskalation gibt. Dr. Jens Müller, Sozialwissenschaftler an der Universität Hamburg, erklärt: „In stark belasteten Stadtteilen wie St. Georg sehen sich Behörden häufig mit der Frage konfrontiert, ob sie durch rigoroses Durchgreifen die Situation verschlimmern oder durch eine stillschweigende Duldung einen gewissen Status quo bewahren.“

Die Polizei sieht sich allerdings auch mit strukturellen Herausforderungen konfrontiert. Ein Beamter der Wache 11, der unter der Bedingung der Anonymität sprach, berichtete: „Wir machen regelmäßig Razzien, aber die Dealer sind schnell wieder auf der Straße. Es ist wie ein Kreislauf, den wir nicht durchbrechen können.“

Die Perspektive der Dealer

Auch die Dealer selbst sind Teil des Systems. Viele von ihnen stammen aus sozial prekären Verhältnissen, einige sind Migranten ohne Papiere, die kaum andere Einkommensquellen haben. „Ich will das nicht mein Leben lang machen“, sagt ein junger Mann, der angibt, aus Westafrika zu kommen und seinen Namen nicht nennen möchte. „Aber was bleibt mir übrig?“

Was sagen die Zahlen?

Offizielle Statistiken belegen, dass St. Georg eine der höchsten Raten an Drogendelikten in Hamburg aufweist. Gleichzeitig zeigen Berichte von Sozialarbeitern, dass die Zahl der Abhängigen in der Umgebung konstant hoch ist. Ein Blick auf die Einsatzprotokolle der Polizei deutet jedoch darauf hin, dass viele kleinere Delikte nicht zur Anzeige gebracht werden.

Die Frage nach der Strategie

Kritiker fragen sich, ob eine offiziellere Politik der Duldung – ähnlich den sogenannten „Fixerstuben“ in anderen Ländern – langfristig effektiver wäre, um sowohl den Abhängigen als auch den Anwohnern zu helfen. Doch Hamburgs Behörden lehnen solche Ansätze kategorisch ab. „Drogenhandel und -konsum gehören nicht auf die Straße. Unser Ziel ist es, die Menschen von ihrer Abhängigkeit zu befreien, nicht sie zu unterstützen“, erklärte ein Sprecher der Sozialbehörde.

Eine ungemütliche Wahrheit?

Während die Behörden jegliche Toleranz abstreiten, bleibt die Realität am Steindamm unverändert. Für viele Beobachter entsteht der Eindruck, dass die Polizei und die Behörden ein inoffizielles Arrangement mit der Situation getroffen haben könnten – sei es aus Notwendigkeit oder aus pragmatischer Überlegung. Doch ohne eine offene Debatte über diese Vorwürfe wird die Frage bleiben: Schützt die stille Duldung am Steindamm tatsächlich die Gesellschaft – oder hält sie nur ein System der Abhängigkeit und Unsicherheit aufrecht?

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