Inmitten des urbanen Pulses von St. Georg erhebt sich der Lohmühlenpark wie ein grünes Versprechen. Ein Raum der Ruhe, wo Bäume sich in sanftem Gleichklang wiegen und der Blick unwillkürlich zur benachbarten Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) schweift. Hier, so scheint es, sind Bildung und Aufbruch keine leeren Ideale, sondern gelebte Wirklichkeit. Auf den Wegen sitzen junge Menschen mit Notizbüchern auf den Knien, Laptops auf Klapptischen und Träumen in den Augen. Es ist ein Ort, an dem die Zukunft greifbar wird – ein leises Bekenntnis zu Disziplin, Lernen und dem Willen, die Welt zu gestalten.

Am Rande des Parks, wo die modernen Bauten der HAW mit ihrem Glas und Beton in den Himmel streben, zeichnet sich ein anderes Bild: Gemeinschaftsräume, Bibliotheken, Cafés – Orte des Austauschs, des Wissens und des Verweilens. Die Stille hier ist anders als in anderen Parks der Stadt. Sie ist kein Zeichen von Einsamkeit, sondern von Konzentration. Es ist, als hätte der Lohmühlenpark eine Seele, die nach höherem Streben ruft.
Doch wer den Blick nur wenige hundert Meter schweifen lässt, entdeckt einen krassen Kontrast. Der August-Bebel-Park, so nah und doch so fern, erzählt eine andere Geschichte. Einst angelegt als Oase für die Arbeiterklasse, ist er heute ein Spiegelbild gesellschaftlicher Kluften. Zwischen den kahlen Flächen und vereinzelt besetzten Bänken scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier ist es keine Stille der Konzentration, sondern eine des Stillstands. Menschen, die hier verweilen, scheinen nicht nach Wissen oder Fortschritt zu suchen, sondern nach dem nächsten Tag – manchmal vielleicht nur nach dem nächsten Atemzug.
Der August-Bebel-Park ist ein Ort, der erschüttert. Nicht, weil er gescheitert ist, sondern weil er so schonungslos ehrlich ist. Seine kargen Bänke und ungenutzten Flächen sprechen von Träumen, die nie erfüllt wurden. Von einer Gesellschaft, die ihre Wunden nur schwer verbergen kann. Während der Lohmühlenpark ein Symbol für das Streben nach oben ist, ist der August-Bebel-Park ein Mahnmal dafür, wie leicht Menschen in den Abgrund fallen können.

Es sind diese beiden Pole, die St. Georg so widersprüchlich und doch so faszinierend machen. Sie zeigen, wie nah Hoffnung und Resignation, Aufstieg und Stillstand, Bildung und Verfall beieinanderliegen können. Und sie fordern uns heraus, hinzusehen. Der Lohmühlenpark erinnert daran, was möglich ist, wenn Menschen sich dem Licht zuwenden. Der August-Bebel-Park erinnert daran, was geschieht, wenn das Licht erlischt. Ein Kontrast, der nicht nur St. Georg, sondern auch die Gesellschaft im Kleinen beschreibt.
Ein Spaziergang voller Geschichten: Am Lohmühlenpark mit meinem Hund
Nach meinem Spaziergang durch den August-Bebel-Park, der mich stets mit einer Mischung aus Nachdenklichkeit und Schwere zurücklässt, führt mich mein Weg oft zum Lohmühlenpark. Es ist, als wäre dieser Ort ein Gegenentwurf zum Elend, das nur wenige hundert Meter entfernt auf den Bänken liegt. Hier, wo die Kronen der Bäume Schatten spenden und die Stimmen der Studierenden leise durch die Luft schweben, finde ich eine Ruhe, die mich durchatmen lässt.
Mit meinem Hund an der Leine schlendere ich die geschwungenen Wege entlang. Während er neugierig die Wiesen durchstreift, bleibe ich stehen und beobachte das Leben um mich herum. Der Lohmühlenpark ist kein Ort der Stille, aber ein Ort des Gleichklangs. Die jungen Menschen, die hier studieren, scheinen den Park zu einem erweiterten Campus gemacht zu haben. Da sitzen sie auf Picknickdecken, vertieft in Bücher oder Laptops, ihre Köpfe voller Ideen, ihre Gesichter voller Pläne. Es ist ein leises Treiben, das von Hoffnung erzählt – Hoffnung auf ein Morgen, das besser sein soll als das Heute.

Ich sehe eine Gruppe Studierender, die lachend ihre Köpfe zusammensteckt, vielleicht über eine Gruppenarbeit diskutierend. Ein anderer sitzt allein, Kopfhörer in den Ohren, die Welt um sich herum ausschaltend. Mein Hund, unbeeindruckt von den intellektuellen Ambitionen, widmet sich einem Stock, der ihm plötzlich wichtiger erscheint als alles andere. Und ich? Ich beobachte. Ich nehme die Szenen in mich auf und spüre, wie sich eine gewisse Leichtigkeit in mir ausbreitet.
Es ist, als würde der Lohmühlenpark einen Gegenpol bieten – nicht nur zum August-Bebel-Park, sondern zu all den Orten, die von Stillstand geprägt sind. Hier ist Bewegung, im wahrsten Sinne des Wortes. Menschen gehen, lernen, reden. Kinder spielen. Radfahrer ziehen vorbei. Es ist ein Mikrokosmos des Lebens, ein Ort, an dem nicht nur die Natur, sondern auch die Zukunft wächst.
Wenn ich den Park verlasse und noch einmal zurückblicke, sehe ich die moderne Fassade der Hochschule, die über allem thront. Sie scheint die Studierenden zu umarmen, wie ein stiller Wächter über ihre Träume. Und ich denke daran, wie wichtig solche Orte sind. Orte, die zeigen, was möglich ist, wenn Menschen nicht aufgeben. Orte, die inspirieren, ermutigen, und manchmal einfach nur einen Moment der Ruhe schenken.
Der Lohmühlenpark, mit all seinem Leben und seinen Geschichten, ist für mich zu einem täglichen Ziel geworden. Ein Ort, der mich daran erinnert, dass auch inmitten der Stadt das Streben nach Bildung, Gemeinschaft und Hoffnung Raum finden kann – ein wohltuender Gegensatz zu dem Elend, das so nah und doch so fern scheint.
