Die Umstände des Todes des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd sorgen weiter für Verwirrung. Nach der Verkündung seiner Hinrichtung durch iranische Staatsmedien vor rund einer Woche verbreitet die iranische Justiz nun eine neue Darstellung: Sharmahd sei nicht hingerichtet worden, sondern kurz vor Vollstreckung des Todesurteils gestorben. Diese widersprüchlichen Angaben werfen zahlreiche Fragen auf und verstärken die Kritik an der iranischen Regierung.
Justizsprecher: Tod vor der Hinrichtung
Asghar Dschahangir, Sprecher der iranischen Justiz, erklärte laut dem Justizportal Misan, Sharmahd sei “verstorben, bevor das Urteil vollstreckt wurde”. Details zu den genauen Todesumständen oder möglichen medizinischen Gründen nannte er nicht. Diese neue Darstellung steht im Widerspruch zu den vorherigen Berichten staatlicher Medien, die am 28. Oktober die Vollstreckung des Todesurteils bekannt gegeben hatten.
Misan, das offizielle Nachrichtenportal der iranischen Justiz, hatte damals verkündet, dass Sharmahd aufgrund seiner Verurteilung wegen angeblicher Terroranschläge hingerichtet worden sei. Die erneute und abweichende Darstellung von Seiten der Justiz lässt sich nicht unabhängig überprüfen, da Informationen aus dem iranischen Staatsapparat selten nach außen dringen.
Hintergründe bleiben unklar
Warum die iranische Justiz ihre Darstellung ändert, ist unklar. Auch über den Verbleib von Sharmahds Leichnam gibt es keine Informationen. Nach der Bekanntgabe seiner angeblichen Hinrichtung hatte die iranische Seite jegliche Anfragen zur Übergabe des Leichnams an die Familie ignoriert.
In Deutschland sorgt die neue Darstellung für erneute Kritik. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte: „Sein Tod wurde uns von iranischer Seite bestätigt. Wir setzen uns weiterhin für die Übergabe des Leichnams an die Familie ein.“ Gleichzeitig machte die Bundesregierung die iranischen Behörden erneut für den Tod Sharmahds verantwortlich.
Ein Schauprozess und internationale Kritik
Jamshid Sharmahd war 2020 vom iranischen Geheimdienst aus Dubai entführt und nach Iran verschleppt worden. Dort wurde er im Frühjahr 2023 in einem international stark kritisierten Gerichtsverfahren wegen der angeblichen Vorbereitung eines Terroranschlags zum Tode verurteilt. Menschenrechtsorganisationen und westliche Beobachter bezeichneten den Prozess als Schauprozess, der weder rechtsstaatlichen Standards noch fairen Bedingungen entsprochen habe.
Die iranische Regierung verweigerte jeglichen konsularischen Zugang für Sharmahd, da er auch die iranische Staatsangehörigkeit besaß. Während seiner Gefangenschaft wurde ihm laut seinen Angehörigen die notwendige medizinische Versorgung verweigert, und er war unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt.
Deutliche Reaktion der Bundesregierung
Nach den Berichten über die angebliche Hinrichtung Sharmahds hatte die Bundesregierung scharf reagiert. Als diplomatische Konsequenz wurden die drei iranischen Generalkonsulate in Frankfurt, Hamburg und München geschlossen. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte damals, die Bundesregierung werde die Repressionen gegen die iranische Bevölkerung nicht länger tolerieren und “jede Handlung der iranischen Regierung unter schärfster Beobachtung” stellen.
Die neue Darstellung des Todes von Sharmahd ändert die deutsche Haltung nicht. Das Auswärtige Amt stellte klar: „Jamshid Sharmahd wurde vom Iran entführt, jahrelang unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten und hat keinen fairen Prozess erhalten. Iran trägt die volle Verantwortung für seinen Tod.“
Internationale Dimensionen und Folgen
Die widersprüchlichen Aussagen des iranischen Staatsapparats werfen ein erneutes Schlaglicht auf die politischen Spannungen zwischen Iran und westlichen Ländern. Die internationale Gemeinschaft hat die Behandlung Sharmahds wiederholt verurteilt. Menschenrechtsorganisationen fordern nun, dass der Tod des Deutsch-Iraners unabhängig untersucht und der Familie Zugang zu den sterblichen Überresten gewährt wird.
Die neuen Angaben zeigen, wie undurchsichtig das iranische Justizsystem arbeitet. Kritiker vermuten, dass die abweichenden Aussagen ein Versuch sein könnten, die internationale Empörung über die Hinrichtung Sharmahds zu dämpfen oder von möglichen internen Versäumnissen abzulenken.
Eine Familie in Trauer und Ungewissheit
Sharmahds Tochter, Gazelle Sharmahd, die sich seit Jahren für die Freilassung ihres Vaters einsetzte, zeigte sich entsetzt über die neuen Angaben. „Diese Behauptungen ändern nichts daran, dass mein Vater unter unmenschlichen Bedingungen gestorben ist. Iran hat ihm die Würde genommen, selbst im Tod.“ Sie fordert weiterhin, dass der Leichnam ihres Vaters an die Familie übergeben wird.
Während die iranische Regierung weiterhin versucht, die Deutungshoheit über die Ereignisse zu behalten, bleibt Sharmahds Schicksal ein Symbol für die Herausforderungen, die westliche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen im Umgang mit autoritären Staaten wie dem Iran bewältigen müssen.

Mathias von Lichtenfeld hat ein Studium im Bereich Journalismus absolviert und arbeitet hauptberuflich in einer renommierten Medienagentur. Neben seiner beruflichen Tätigkeit verfasst er regelmäßig Artikel für das Steindamm Magazin, in denen er über lokale Themen berichtet und seine journalistische Expertise einbringt.