Die Stadt Köln, bekannt für ihren imposanten Dom und ihre tief verwurzelte katholische Tradition, schlägt ein neues Kapitel auf. Der Muezzin der Ditib-Moschee in Ehrenfeld darf auch weiterhin jeden Freitag zum Gebet rufen. Das Modellprojekt, das vor zwei Jahren mit viel Diskussion und Kritik startete, wird jetzt offiziell verlängert. Doch was bedeutet das für eine Stadt, die seit Jahrhunderten als Symbol des Christentums in Deutschland gilt?
Ein Modellprojekt wird Realität
Vor zwei Jahren begann in Köln ein Experiment, das die religiöse Landschaft der Stadt nachhaltig prägen sollte. Die Ditib-Moschee in Ehrenfeld, eine der größten Moscheen Deutschlands, erhielt die Erlaubnis, den Muezzinruf zum Freitagsgebet zu verkünden. Offiziell sollte das Projekt „die religiöse Vielfalt in der Stadt sichtbar machen und die gesellschaftliche Teilhabe der Kölner Muslim*innen stärken“, wie die Stadtverwaltung erklärte.
Der Ruf des Muezzins, der in muslimischen Ländern fester Bestandteil des täglichen Lebens ist, hallte plötzlich durch die Straßen eines Viertels, das jahrzehntelang von katholischen Kirchenglocken geprägt war. Für viele Einwohner, die sich mit der christlichen Tradition der Stadt identifizieren, war das ein Kulturschock.
Eine Stadt im Wandel: Von Glocken zum Gebetsruf
Der Muezzinruf, der freitags zwischen 12 und 15 Uhr für maximal fünf Minuten erklingt, ist weit mehr als nur eine religiöse Handlung. Für Kritiker symbolisiert er eine schleichende Veränderung des städtischen Charakters. „Köln ist die Stadt der Heiligen Drei Könige und des Kölner Doms – und jetzt auch des Muezzins? Das passt nicht zusammen“, sagt eine Anwohnerin aus Ehrenfeld, die anonym bleiben möchte.
Trotz der strikten Vorgaben – der Ruf darf nicht lauter als 60 Dezibel sein und ist nur im näheren Umfeld der Moschee zu hören – fühlen sich viele Bewohner von der Entscheidung übergangen. „Es ist nicht der Ruf an sich, sondern was er symbolisiert: Ein Stück unserer Stadtgeschichte wird leiser, während etwas völlig Neues an dessen Stelle tritt“, erklärt ein langjähriger Kölner.
Anfänglicher Protest verstummte schnell
Als das Projekt 2022 startete, war der Gegenwind stark. Die Stadtverwaltung erhielt zahlreiche Beschwerden, die von Lärmbelästigung bis hin zu grundsätzlicher Ablehnung reichten. Der Integrationsrat berichtete von einer Vielzahl beleidigender und ablehnender Zuschriften. Doch die Protestwelle flaute nach wenigen Wochen ab.
Die Moscheegemeinde hielt sich strikt an die Vorgaben: Der Ruf blieb innerhalb der festgelegten Lautstärkebeschränkung, und die Anwohner wurden durch Flugblätter vorab informiert. Letztlich bewertete die Stadt das Experiment als erfolgreich und verlängerte die Vereinbarung mit der Moschee.
Religiöse Vielfalt oder schleichender Kulturwandel?
Die Diskussion um den Muezzinruf hat eine tiefere Debatte in Köln entfacht: Wie viel Wandel verträgt eine Stadt, die so stark mit ihrer christlichen Identität verknüpft ist? Für die Befürworter des Projekts ist der Muezzinruf ein Zeichen der Offenheit und des Respekts vor der Vielfalt. „Köln war schon immer eine Stadt des Zusammenkommens. Es gibt keinen Grund, warum nicht Glocken und Muezzinrufe nebeneinander existieren können“, meint ein Mitglied des Integrationsrates.
Für Kritiker jedoch stellt das Projekt eine Art „kulturelle Kapitulation“ dar. „Es fängt mit dem Muezzinruf an, und was kommt als nächstes? Werden wir irgendwann unsere christlichen Traditionen an den Rand drängen?“, fragt ein besorgter Bürger.
Erfolg oder Spaltpilz?
Die Verlängerung des Projekts zeigt, dass Köln bereit ist, neue Wege zu gehen. Doch die Frage bleibt: Wird diese Veränderung die Stadt tatsächlich bereichern, oder führt sie zu einer zunehmenden Entfremdung der alteingesessenen Bevölkerung?
Fest steht, dass der Muezzinruf in Köln nicht mehr nur ein religiöses Ritual ist. Er ist ein Symbol für den Wandel einer Stadt – ein Wandel, der von vielen als Bereicherung, von anderen jedoch als Bedrohung wahrgenommen wird. Die Diskussion wird weitergehen, ebenso wie der Ruf des Muezzins am Freitagmittag.
