Während die Weltgemeinschaft in Aserbaidschan bei der COP29 über Wege zur Eindämmung der Klimakrise diskutiert, hinterlässt der Austragungsort selbst einen kontroversen Eindruck. Aserbaidschan, ein Land, das seine wirtschaftliche Stärke und seinen geopolitischen Einfluss vor allem auf der Förderung von Öl und Gas aufbaut, präsentiert sich als Gastgeber der Klimagespräche – ein Widerspruch, der viele Teilnehmer irritiert.
Besonders symbolträchtig: Aserbaidschans traditionelles Bad in Rohöl, das vor Ort als Gesundheitsritual angepriesen wird. Während die Regierung stolz ihre petrochemische Kultur und Wirtschaft präsentiert, fragen sich viele, ob das Land die Botschaft des Klimaschutzes verstanden hat.
Aserbaidschan: Ein Petro-Staat im Wandel?
Aserbaidschan ist ein Land, das historisch tief mit der Öl- und Gasindustrie verwurzelt ist. Von der boomenden Ölstadt Baku, die im 19. Jahrhundert eine zentrale Rolle in der globalen Ölproduktion spielte, bis hin zur heutigen Bedeutung des Landes als wichtiger Gaslieferant für Europa, ist Aserbaidschans Wohlstand untrennbar mit fossilen Brennstoffen verbunden.
Die Regierung nutzt die COP29 als Plattform, um sich als modernes, nachhaltigkeitsorientiertes Land zu präsentieren. Gleichzeitig macht sie jedoch keinen Hehl aus ihrer Identität als Petro-Staat. Die fossilen Brennstoffe, die der Weltgemeinschaft langfristig den Weg in die Klimakatastrophe ebnen könnten, werden hier als Stolz und kulturelles Erbe inszeniert.
Ölbad als Symbol: Ein kulturelles Ritual oder eine Provokation?
Eine der ungewöhnlichsten Attraktionen, die Aserbaidschan den internationalen Gästen bietet, ist das traditionelle Ölbad. Bei diesem Ritual baden Menschen in Rohöl, das laut lokalen Überlieferungen heilende Eigenschaften besitzt. Die Regierung wirbt offensiv mit diesem kulturellen Ritual und sieht darin ein Symbol nationaler Identität.
Doch für viele Teilnehmer der Klimagespräche ist das Ölbad eine Provokation. Es wirft die Frage auf, ob Aserbaidschan die Dringlichkeit der Klimakrise ernst nimmt oder ob es seine fossilen Brennstoffe als untrennbaren Teil seiner Identität verteidigen möchte – auf Kosten der globalen Bemühungen um Dekarbonisierung.
Widersprüche im Gastgeberland
Die COP29 sollte eigentlich ein Ort sein, an dem Länder zusammenkommen, um Lösungen für die globale Klimakrise zu finden. Doch Aserbaidschans Ausrichtung der Konferenz hat bei vielen Kritikern Skepsis geweckt.
• Energieexporte: Aserbaidschan setzt nach wie vor auf Öl und Gas als Haupteinnahmequellen und plant keine drastischen Maßnahmen zur Reduktion seiner fossilen Brennstoffe. Gleichzeitig wirbt das Land mit ambitionierten Zielen im Bereich erneuerbare Energien.
• Nachhaltigkeitsinitiativen: Die Regierung hat Solar- und Windkraftprojekte angekündigt, die jedoch im Vergleich zu den fossilen Exporten nur einen Bruchteil der Energieerzeugung ausmachen.
• Geopolitische Strategien: Aserbaidschans Status als wichtiger Gaslieferant für Europa, insbesondere im Kontext des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise, gibt dem Land eine starke Verhandlungsposition. Kritiker sehen darin jedoch ein Hindernis für ambitionierte Klimaziele.
Stimmen der Kritik
Die Entscheidung, die COP29 in Aserbaidschan auszurichten, hat bei Umweltschützern, Aktivisten und auch bei einigen Delegierten Kritik ausgelöst.
„Es ist absurd, dass ein Land, das so sehr von fossilen Brennstoffen abhängig ist, eine so wichtige Klimakonferenz ausrichtet,“ sagt Anna Johansson, eine schwedische Klimaaktivistin, die an der COP29 teilnimmt. „Das sendet ein falsches Signal über die Ernsthaftigkeit der Klimapolitik.“
Andere betonen, dass Aserbaidschan zwar eine Plattform für den Dialog bietet, aber auch klare Verpflichtungen eingehen sollte. „Gastgeber zu sein bedeutet Verantwortung zu übernehmen,“ so ein Delegierter der Europäischen Union.
Die Verantwortung der COP29
Trotz der Kontroversen bietet die COP29 auch Chancen. Aserbaidschan hat die Möglichkeit, eine Brücke zwischen fossilen Brennstoffproduzenten und der globalen Klimabewegung zu schlagen. Als Petro-Staat mit ehrgeizigen Plänen für erneuerbare Energien könnte das Land ein Modell für einen „sanften Übergang“ darstellen – wenn es ernsthafte Maßnahmen ergreift.
Die Frage bleibt jedoch, ob Aserbaidschan bereit ist, seine fossilen Brennstoffe tatsächlich in den Hintergrund zu rücken, um die Klimaziele zu erreichen. Bislang überwiegen symbolische Gesten gegenüber substanziellen Fortschritten.
Ein Spiegel globaler Herausforderungen
Die COP29 in Aserbaidschan ist mehr als eine Klimakonferenz – sie ist ein Symbol für die Widersprüche, die die globale Klimabewegung prägen. Ein Land, das seinen Reichtum auf fossile Brennstoffe gründet, steht im Zentrum der Diskussion über den Ausstieg aus ebendiesen Brennstoffen.
Das Ölbad mag für Aserbaidschan ein kulturelles Ritual sein, doch für viele Beobachter bleibt es ein Bild der Ambivalenz. Ob die COP29 als Wendepunkt oder als verpasste Chance in die Geschichte eingeht, hängt davon ab, wie ernsthaft die globalen Führer die Herausforderungen der Klimakrise angehen – und wie sehr sich Länder wie Aserbaidschan bereit zeigen, ihre fossile Vergangenheit hinter sich zu lassen.
