Seit mehr als 60 Jahren steht die Blaue Moschee an der Alster als kulturelles und religiöses Zentrum für Hamburgs iranischstämmige Community. Doch seit knapp 100 Tagen sind die Türen des denkmalgeschützten Gebäudes geschlossen. Grund dafür ist eine Verfügung des Bundesinnenministeriums, das den Betreiber der Moschee als verfassungsfeindlich eingestuft hat. Seitdem ist unklar, was aus diesem traditionsreichen Gebäude werden soll.
Hintergrund: Schließung und Verbot des Moscheebetreibers
Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das die Moschee an der Außenalster betreibt, wurde im Juli 2024 durch das Bundesinnenministerium als islamistisch eingestuft und verboten. Die Entscheidung fiel aufgrund der angeblichen engen Verbindungen des Zentrums zur iranischen Regierung, die es laut Behörden als „Propagandazentrum“ zur Verbreitung islamistischer Ideologien nutze. Seitdem ist das Betreten des Geländes untersagt und das Gebäude beschlagnahmt. Für die Gläubigen, die die Moschee als religiösen Rückzugsort nutzen, und für die iranischstämmige Community, die den Ort als kulturelles Zentrum schätzt, ist dies ein herber Verlust.
Proteste und Kontroversen um die Schließung
Die Schließung der Moschee hat zu zahlreichen Protesten geführt. Gläubige und Unterstützer des IZH versammeln sich seitdem regelmäßig in der Nähe des Gebäudes, um ihre Freitagsgebete im Freien abzuhalten. Transparenten mit Aufschriften wie „Finger weg von unseren Gotteshäusern“ und „Wir wollen unsere Moschee zurück“ sind bei den Zusammenkünften zu sehen. Viele Gläubige werfen der Bundesregierung vor, die Religionsfreiheit einzuschränken, und fordern eine Wiedereröffnung des Gebetshauses.
Rechtsstreit um das Verbot: Ein langer Weg durch die Instanzen
Mehrere Klagen gegen das Verbot des IZH liegen derzeit beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vor. Nicht nur das IZH selbst, sondern auch zwei weitere islamische Zentren in Frankfurt und Berlin, die ebenfalls mit Verbindungen zum Iran in Verbindung gebracht werden, haben Eilanträge eingereicht. Da es sich um einen komplexen Fall handelt, könnten die Verfahren noch Jahre dauern. Falls das Leipziger Gericht das Verbot bestätigt, wäre es den Klägern möglich, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist, bleibt das Gebäude geschlossen und seine zukünftige Nutzung unklar.
Ein Ort mit Bedeutung: Die Rolle der Moschee für die iranischstämmige Community
Seit den 1960er-Jahren, als die Blaue Moschee von iranischen Kaufleuten erbaut wurde, ist sie nicht nur ein religiöser Ort, sondern auch ein gesellschaftlicher Treffpunkt für Menschen iranischer Herkunft in Hamburg. Sie fungierte als Bürgerzentrum, bot Unterstützung bei sozialen und rechtlichen Fragen und war der Ort für traditionelle Feierlichkeiten und Trauerzeremonien. Die Moschee war für viele weit mehr als ein Gotteshaus – sie war ein Ort des kulturellen Austauschs und der Gemeinschaft.
Diskussion um die zukünftige Nutzung des Gebäudes
Die Frage, wie das Gebäude in Zukunft genutzt werden soll, wird in Hamburg heftig diskutiert. Einige Akteure sprechen sich dafür aus, die Moschee geschlossen zu lassen und stattdessen ein Kulturzentrum zu schaffen, das den Namen der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini tragen könnte. Amini wurde im Iran aufgrund eines angeblichen Verstoßes gegen das Kopftuchgesetz festgenommen und starb später in Polizeigewahrsam, was weltweit Proteste auslöste. Ein Kulturzentrum mit ihrem Namen könnte ein Zeichen der Solidarität mit den Protesten gegen das iranische Regime setzen und den kulturellen Austausch fördern.
Ein Ort für alle: Der Wunsch nach einem säkularen, offenen Zentrum
Einige Stimmen in der Stadt, darunter Mitglieder aus Politik und Kultur, betonen die Notwendigkeit, die Blaue Moschee als Ort der Begegnung zu erhalten – nicht nur für Gläubige, sondern für alle Menschen iranischer Herkunft in Hamburg. Sie sehen in der Moschee die Möglichkeit, einen offenen Raum zu schaffen, der sowohl die religiösen Bedürfnisse der schiitischen Gemeinde erfüllt als auch ein Anlaufpunkt für kulturelle Veranstaltungen und Austausch ist. Ein solches Zentrum könnte die Vielfalt der iranischen Kultur widerspiegeln und zur Integration beitragen.
Eine Umbenennung der Moschee wird dabei von manchen als Symbolpolitik abgelehnt. Viel wichtiger sei es, die Moschee so zu gestalten, dass sich alle willkommen fühlen und ohne Furcht vor politischer Einflussnahme dort zusammenkommen können. Für viele Menschen iranischer Herkunft ist es entscheidend, dass die Moschee als Zeichen eines pluralistischen und säkularen Islam fortbestehen kann.
Präzedenzfall mit Signalwirkung
Der Konflikt um die Blaue Moschee ist nicht nur für Hamburg, sondern bundesweit von Bedeutung. Die Entscheidung, wie mit dem religiösen und kulturellen Erbe des Gebäudes umgegangen wird, könnte Signalwirkung haben und wegweisend für den Umgang mit vergleichbaren Einrichtungen sein. Die Frage, inwieweit religiöse Zentren mit problematischen politischen Verbindungen bestehen dürfen, wird weiterhin kontrovers bleiben und bedarf einer sensiblen Abwägung zwischen Sicherheitsbedenken und der Wahrung von Grundrechten.
Ein schwieriger Balanceakt
Für die iranischstämmige Community bleibt die Blaue Moschee trotz aller Kontroversen ein bedeutender Ort, der tief in ihrem kulturellen Gedächtnis verwurzelt ist. In einer Stadt wie Hamburg, die stolz auf ihre Vielfalt ist, gilt es nun, eine Lösung zu finden, die sowohl den Sicherheitsbedenken der Behörden als auch den Bedürfnissen der Gläubigen und der kulturellen Gemeinschaft gerecht wird.
Wie sich die Situation entwickelt, bleibt ungewiss. Klar ist jedoch, dass die Blaue Moschee nicht nur ein religiöses Gebäude ist, sondern ein Symbol für die kulturelle Vielfalt und das Recht auf religiöse Freiheit in Deutschland.
